Unter Anwälten ist der Versicherungsombudsmann wenig bekannt. Dies ist zu bedauern, da dessen Beschwerdeverfahren ihnen prozedurale und wirtschaftliche Vorteile bietet. Zumal auch gegen Rechtsschutzversicherer vorgegangen werden kann und sich damit Streitfragen ohne Deckungs-Prozess klären lassen. Der Beitrag gibt einen Überblick.
1. Rechtsgrundlagen der Schlichtungsinstanz
Funktional handelt es sich beim Ombudsmann für Versicherungen um einen Verein, der schlichtet. Er betreibt ein Schlichtungsverfahren im Sinne von § 17 Nr. 7 RVG. Denn in den Anwendungsbereich des § 17 Nr. 7 RVG fallen anerkannte Gütestellen i.S. des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bzw. § 15a EGZPO und sonstige Einigungsstellen, die durch ein Gesetz oder aufgrund einer im Gesetz erhaltenen Ermächtigung eingerichtet worden sind. Auf solch einer Grundlage ist der Ombudsmann tätig - zweifelsfrei seit 23.11.16. Er war zwar schon seit 2005 von Gesetzes wegen für bestimmte Beschwerden zuständig; allerdings nur, wenn ein Versicherungsvertrag per Fernabsatz zustande gekommen war. Diese Aufgabe ist in § 214 Abs. 1 Nr. 1 VVG geregelt. Eine weitere durch den Gesetzgeber übertragene Aufgabe betrifft das Verfahren für Beschwerden gegen Versicherungsvermittler nach § 214 Abs. 1 Nr. 2 VVG. Ende 2016 sind letzte Zweifel an der gesetzlichen Grundlage beseitigt worden. Der Verein „Versicherungsombudsmann“ hat sich damals zertifizieren lassen. Er ist seither eine anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz.
Maßgeblich sind damit für den Verein und seine rund 45 Mitarbeiter neben der Verfahrensordnung (VO-OM) „ergänzend“ das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) sowie spezifizierte Prozessrechte: § 6 VO-OM gewährt rechtliches Gehör, beschränkt durch das Geschäftsgeheimnis (§ 16 VO-OM). Beweis wird nur durch den Urkundsbeweis erhoben. Ansonsten gilt: Freie Beweiswürdigung und Entscheidungen auf Grundlage von Recht und Gesetz.
2. Gebührentatbestände
Grundsätzlich richtet sich die Anwaltsvergütung nach Nr. 2303 Nr. 4 VV i.V.m. § 15 RVG. Die Beschwerdetätigkeit ist damit eine eigene Angelegenheit. Dies gilt sowohl gegenüber der vorangegangenen außergerichtlichen Tätigkeit als auch gegenüber einem nachfolgenden Rechtsstreit.
PRAXISTIPP: In allen drei Angelegenheiten erhält der Anwalt seine Vergütung gesondert, also nach eigenen Gebührentatbeständen, auch bei der Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV.
Der Höhe nach erhält der Anwalt eine 1,5-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2303 VV. Allerdings sind Anrechnungsvorschriften zu beachten. Im Gegensatz zur Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV hat der Anwalt keinen Ermessensspielraum. Der Gebührensatz nach 2303 VV steht fest. Eine Schwellengebühr (Anm. zu Nr. 2300 VV) ist nicht vorgesehen. Die 1,5-Gebühr entsteht daher auch, wenn die Tätigkeit weder umfangreich noch schwierig war. Ebenso wenig ist eine geringere Gebühr für ein einfaches Schreiben (Nr. 2301 VV) vorgesehen. Werden mehrere Auftraggeber vertreten, kann die Gebühr nach Nr.
1008 VV erhöht werden.
PRAXISTIPP: Die volle Gebühr entsteht auch, wenn sich die Sache vorzeitig erledigt. Es reicht letztlich, eine wie auch immer geartete Beschwerde zu beantragen.
Eine Terminsgebühr kann nicht anfallen, auch nicht durch eine telefonische Besprechung (A.A. Endres, RVG für Anfänger, 2013, S. 840). Endres übersieht, dass mit der auf 1,5 erhöhten Gebühr nach Nr. 2303 VV RVG alle Tätigkeiten abgegolten werden sollen, mithin auch oder gerade Besprechungen. Es will auch nicht einleuchten, dass, falls 3104 VV angewendet wird, keinerlei Anrechnung stattfinden soll. Das ist systemwidrig.
PRAXISTIPP: Wird - auf oder ohne Vorschlag des Ombudsmanns - eine Einigung erzielt, entsteht eine 1,5-Gebühr nach Nr. 1000 VV RVG. Da die Beschwerde kein gerichtliches Verfahren ist, reduziert sich die Einigungsgebühr nicht auf 1,0 nach Nr. 1003 VV RVG.
3. Der Ombudsmann in den ARB
Kostenschutz richtet sich nach jenen ARB, die maßgeblich sind. An diese Binsenweisheit muss, wie zu zeigen ist, aus gutem Grund erinnert werden.
PRAXISTIPP: Fordern Sie die infrage kommenden ARB schon mit der Deckungsanfrage an, und zwar in print, also als Druckstück. Hier hilft ein Hinweis auf § 3 VVG. Die Druckversion verschafft Ihnen Gewissheit darüber, welche ARB aus Sicht des VR für den Streitfall maßgeblich sein sollen. Ein Link hilft da nicht weiter. Er führt in der Regel nicht zu einerklar definierten ARB-Version, sondern in den Dschungel des Kleingedruckten. Er zwingt Sie zu klären, welche ARB tatsächlich gelten, insbesondere, wann und wie welche Version einbezogen worden ist. Und hierüber lässt sich trefflich streiten: Die Praxis der Einbeziehung/Umstellung/Neuregelung ist intransparent. Es gibt Urteile, die sich hieran stoßen (vgl. Bultmann VK 09, 142; BGH 2.4.14, IV ZR 124/13, Abruf-Nr. 141462)
In manchen ARB sind nur „gesetzlich vorgeschriebene“ Schlichtungsverfahren gedeckt. Fakultative, wie die Beschwerde zum Ombudsmann, sind hiernach ausgeschlossen.
4. Deckungspraxis
Um Deckung für eine Beschwerde zu erhalten, ist Überzeugungsarbeit zu leisten. Vor allem mit dem Einwand der Kostenmehrung ist zu rechnen. Der Ombudsmann ist ein fakultativer Rechtsbehelf, sein Beschwerdeverfahren nicht zwingend. Insoweit ist verständlich, dass von Seiten der Rechtsschutzversicherer Kostenmehrung eingewendet wird. In der Sache greift der Einwand allerdings nicht.
- Das gilt schon, weil der BGH entsprechende Klauseln für unwirksam erklärt hat (dazu Bultmann, VK12,140; OLG Frankfurt a. M. 1.3.12, 3 U 119/11). Die in den ARB 2000 bis 2009 geregelte Klausel besagte: „Der VN hat, soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden, alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte.“ Auch wegen dieser „Altklausel“ lohnt es sich, die ARB zu prüfen.
- Unabhängig davon greift der Einwand auch nicht, weil keine „unnötigen“ Kosten mit einer Beschwerde verbunden sind. Zwar wird eine Gebühr nach 2303 VV ausgelöst. Diese ist aber teilweise zu verrechnen. Der als Belastung stehen bleibende Teil ist nicht unnötig. Dies belegt die Interessenlage des VN.
- Beispiel (Rückabwicklung nach §§ 5a, 8 VVG)
Wird ein Rückabwicklungsbegehren vom Lebens-VR abgelehnt, kann eine Beschwerde die Interessenwahrnehmung des VN auf zwei Ebenen fördern. Der VN verfolgt mit der Beschwerde nämlich zwei Rechtsschutzziele.
Primär fordert er eine Geldleistung; der Form nach ein Anerkenntnis des VR, eine Verpflichtung nach § 10 Abs. 2 S. 2 VO-OM, einen Schlichtungsvorschlag nach § 10 Abs. 6 VO-OM oder einen unmittelbar zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich. Sekundär und hilfsweise strebt der VN jedoch nach Informationen. Er begehrt Unterlagen zu seinem Versicherungsverhältnis, weil er diese nicht hat. Erhält er sie, kann er, falls seine Beschwerde nicht fruchtet, seine Chancen vor Gericht verbessern. Denn was das Beschwerdeverfahren an Informationen generiert, ist für seinen Prozessbevollmächtigten Gold wert. Vor dem Verein Ombudsmann müssen sich dessen Mitglieder offenbaren. Und dem Beschwerdeführer ist rechtliches Gehör zu gewähren. Er hat Anspruch darauf, dass ihm die Stellungnahmen des Gegners nebst Anlagen übermittelt werden. So erhält er „Streithilfe“. Hierbei geht es weniger um die juristische Einschätzung des Ombudsmanns, als um die Einwendungen und Auskünfte des VR, vor allem um die von ihm gemäß §§ 6, 7 VO-OM dem Ombudsmann vorzulegenden Ablichtungen (z.B. Unterlagen zum Vertragsschluss mit Belehrungspassagen; Verbraucherinformationen nach § 10 VAG, Kalkulationsgrundlagen, Zahlungsbilder, ertragssteuerliche Erklärungen und/oder versicherungsmathematische Berechnungen). Unterlagen zu diesen Themen ersparen dem VN eine Auskunftsklage. Trotz der in § 5a VVG geregelten Beweislastumkehr müssen klagende VN zu den in Streit stehenden Unterlagen etc. darlegen. Diese Darlegungslast könnte ansonsten zum unlösbaren Problem werden.
Ein weiterer Vorteil ist, dass eine Beschwerde die Vergleichsbereitschaft fördert. Der Ombudsmann trifft in der Regel keine Verpflichtungsentscheidung, sondern macht einen Vorschlag. Der verfolgt das Ziel, eine Entscheidung zulasten der Versicherungswirtschaft zu vermeiden. Es darf nicht verkannt werden, dass der Ombudsmann eine „Selbsteinrichtung“ ist. Selbstbelastung liegt nicht im Interesse der Versicherungswirtschaft. Ihr und dem Ombudsmann ist vielmehr daran gelegen, Streitfälle geräuschlos zu erledigen, jedenfalls so, dass kein negatives Präjudiz geschaffen wird. Aus dieser Interessenlage resultiert Schlichtungseffizienz und Förderqualität der Beschwerde.
5. Kostenerstattung vom Rechtsschutzversicherer
Selbst bei uneingeschränkter Deckung kommt es regelmäßig zu Gebührenkürzungen. Wenn die Geschäftsgebühr nach 2300 VVG mangels Verstoß vom Rechtsschutzversicherer nicht erstattet wird, wird diese dennoch auf die Gebühr nach 2303 VVG angerechnet. Erstattet werden dann nur 0.65 Gebühren. Dagegen ist nichts zu erinnern.
Auch beim Streitwert gehen häufig die Meinungen auseinander. Können Sie die verfolgte Forderung nicht genau beziffern, laufen Sie Gefahr, dass der Sachbearbeiter den Auffangstreitwert von 5.000 EUR ansetzt.
6. Kostenerstattung durch den Gegner
Kosten eines vorgerichtlichen Güteverfahrens sind keine Kosten des Rechtsstreits. Bei Güte- und Schlichtungsverfahren handelt es sich um eine außergerichtliche Tätigkeit. Wo Güteverfahren vorgeschrieben sind, so z.B. nach § 15a EGZPO, ordnet § 91 Abs. 3 ZPO an, dass die Kosten eines solchen Verfahrens als Kosten des Rechtsstreits gelten. Sie sind dann je nach Kostenquote von der unterliegenden Partei zu erstatten.
Für ein fakultatives Verfahren, wie die Beschwerde beim Ombudsmann, gelten diese Grundsätze gleichartig. Allerdings gibt es zu diesem Punkt wenig Rechtsprechung. Es gilt Rechtspfleger und/oder Richter zu überzeugen. Voraussetzung für die Anwendung des § 91 Abs. 3 ZPO ist in jedem Fall, dass zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung nicht mehr als ein Jahr verstrichen ist.
7. Kostenbeschwerde beim Ombudsmann
Weigert sich eine Rechtsschutzversicherung oder eine andere in Anspruch genommene Versicherung, Anwaltsgebühren nach 2303 VV zu erstatten, kann diese Weigerung nicht zum Gegenstand einer Beschwerde beim Ombudsmann gemacht werden. Der vertritt die Ansicht, dass seine Verfahrensordnung es nicht gestatte, über solche Gebühren zu entscheiden.
Es heißt dort in § 14: Die Beteiligten des Verfahrens haben ihre eigenen Kosten selbst zu tragen. Diese können nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden. Beschwerden, die sich ganz oder partiell auf 2303 VV beziehen, werden in praxi nicht behandelt.
PRAXISTIPP: Hierauf wird jedoch vom Sachbearbeiter hingewiesen. Das sollte Anlass sein, den ANtrag umzustellen oder zurückzunehmen. Dies gilt auch, wenn eine Gebührennote als Beleg vorgelegt wird, in der die Position 2303 VV auftauscht; und sei es nur als Verrechnungsposten.
8. Deckungcbecchwerde beim Ombudsmann
Nach seinem Wortlaut schließt § 14 VO-OM nicht aus, dass Gebührenforderungen, die sich nicht auf 2303 VV stützen, oder sonstiger Streit mit Rechtsschutzversicherungen, zum Gegenstand einer Beschwerde gemacht werden können (z.B. Streit um Deckung für eine Beschwerde gegen eine Lebensversicherung). Kostenschutz für eine solche Interessenwahrnehmung wird, wie oben dargelegt, gern als unnötig oder als nicht versichert abgelehnt. Auch gegen solche Ablehnungen kann Beschwerde beim Ombudsmann eingelegt werden. Es kann dann zwei Beschwerdeverfahren geben, die gleichzeitig laufen. Beide Beschwerden dürfen nicht verwechselt werden, sie führen beim Ombudsmann getrennte Aktenzeichen.
PRAXISTIPP: Wer sich über eine Rechtsschutzversicherung beschwert, sollte im Antrag seiner Beschwerdeklar zum Ausdruck bringen, dass er vom Ombudsmann keine Verpflichtung zum Ersatz von Gebühren gemäß 2303 VV begehrt. Ansonsten zieht sich der Sachbearbeiter auf das in § 14 VO-OM geregelte Verfahrenshindernis zurück. Es empfiehlt sich deswegen, den Deckungsantrag „gebührenneutral“ zu stellen. Etwa: Ich beantrage, den Beschwerdegegner zu verpflichten, dem Antragsteller Deckung für eine Beschwerde beim Ombudsmann nach Maßgabe dessen Anfrage vom (…) zuzusagen.
9. Beschwerde gegen einen Stichentscheid
Liegt ein Stichentscheid vor, ist kein Rechtsschutz-VR gezwungen, diesen als verbindlich zu akzeptieren. Auch die Kosten des Stichentscheids werden ungern erstattet. Allerdings ist in diesem Punkt die Rechtslage klar. Selbst wenn im Stichentscheid dem Rechtsschutz-VR recht gegeben wird, sind dem Anwalt 1,3 Gebühren zu erstatten. Über diese Konsequenz gibt es häufig Streit. In solchen Fällen Lohnt es sich, den Ombudsmann zu bemühen. Er wird, da die Rechtslage klar ist, sein Mitglied zu einer Zahlung anhalten. Mit Gutschrift erledigt sich für ihn die Beschwerde (-arbeit).
Beachten Sie: Ist die Rechtslage unklar, tendiert der Ombudsmann zum Ausweichen. Er kann sich hierzu auf § 9 VO-OM berufen. „Offensichtliches Abweichen“ wird dann von ihm nicht entschieden, sondern mit Blick auf ungeklärte Rechtsfragen der Justiz überlassen.
Weiterführender Hinweis:
Fast 19.000 Beschwerden landeten 2013 auf dem Tisch des Versicherungsombudsmanns: Abruf-Nr. 42707517. Dessen Jahresbericht 2017 ist abrufbar unter www.versicherungsombudsmann.de/downloads/