Wie können sich Versicherungskunden gegen einen run off wehren

1. Vertrauensschutz

Ver­brau­cher schlie­ßen ihre Lebens­ver­si­che­rungs­ver­trä­ge im Ver­trau­en auf die Sta­bi­li­tät und Boni­tät der von ihnen gewähl­ten Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaft ab. Die­ses Ver­trau­en hat Rechts­qua­li­tät; es wachst gemäß § 242 BGB mit der Zeit in eine zuneh­mend geschütz­te Position.

2. Rechtsverletzung

Die­se Rechts­po­si­ti­on wird durch einen run off berührt – und ver­letzt, wenn nach Abwä­gung aller Umstän­de dem Ver­si­che­rer ein Fehl­ver­hal­ten anzu­las­ten ist; etwa, weil er sei­ne Kun­den erst nach der Bestands­über­tra­gung infor­miert und sie damit vor voll­ende­te Tat­sa­chen stellt; ihnen also die Mög­lich­keit nimmt, vor dem run off zu han­deln, um einer dro­hen­den Ver­schlech­te­rung zu begegnen.

3. Schlechterstellung

Und eine Schlech­ter­stel­lung ist zu besor­gen, weil beim run off die Kun­den hin­neh­men müs­sen, dass ihre Ver­trä­ge von einem Ver­si­che­rer ver­wal­tet wer­den, der nicht mehr dem Wett­be­werb aus­ge­setzt ist; dies min­dert des­sen Qua­li­tät. Die Geneh­mi­gung des run off durch das BAFin ändert hier­an nichts. Abzu­stel­len ist auf die Sach­la­ge, ins­be­son­de­re auf Erfah­rungs­wer­te, die bele­gen, dass run off Platt­for­men, genannt ROP, in Sachen Leis­tung und Sol­va­bi­li­tät ver­gleichs­wei­se schlecht daste­hen. Dies folgt aus einer im Inter­net* dis­ku­tier­ten Sol­venz-Stu­die des Bund der Ver­si­cher­ten vom Sep­tem­ber 2019; zudem ändert sich durch den Bestands­wech­sel die Pas­siv­le­gi­ti­ma­ti­on. Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Zustel­lungs­pro­ble­me wer­den dadurch mas­siv ver­schärft. Nach Sta­tis­ti­ken der BaFin wei­sen ROP auf­fäl­lig hohe Beschwer­de­quo­ten auf. Bei den ROP ist auch der Anteil der Gesell­schaf­ten, deren Bede­ckungs­quo­ten teil­wei­se deut­lich unter 100 Pro­zent lie­gen, auf­fäl­lig hoch.

4. Rechtschutzfall

Aus die­ser Sach- und Rechts­la­ge folgt, dass ein run off kei­ne rein wirt­schaft­li­che Ange­le­gen­heit ist, son­dern ein Rechts­ver­stoß im Sin­ne der ARB. Für eine anwalt­li­che Inter­es­sen­wahr­neh­mung muss des­we­gen Deckung zuge­sagt wer­den; zumin­dest bei Gel­tung von § 4 ARB 94/2000; ARB 2010 liegt ein Rechts­schutz­fall* vor. Der für den maß­geb­li­che Zeit­punkt rich­tet sich nach nach dem vom Bafin* fixier­ten Wech­sel­zeit­punkt. Liegt die­ses Datum vor Beginn des Rechts­schutz­ver­trags, ist mit dem Ein­wand der Vover­trag­lich­keit zu rech­nen. Bei die­ser Zeit­kon­stel­la­ti­on emp­fiehlt es sich für Rechts­schutz­kun­den, einen Ver­zugs­fall zu schaf­fen; etwa, indem die alte Lebens­ver­si­che­rung vom Kun­den (zweck­mä­ßi­ger­wei­se von ihm per­sön­lich, nicht von sei­nem Anwalt*) unter Frist­set­zung auf­ge­for­dert wird, durch Natu­ral­resti­tu­ti­on den ursprüng­li­chen Rechts­zu­stand wie­der her­zu­stel­len oder eine Haf­tungs­über­nah­me zu erklä­ren. Sol­che Ansin­nen wer­den in der Regel abge­lehnt. Wird, was zuläs­sig ist, bei der Deckungs­an­fra­ge dann auf die­se Ableh­nung abge­stellt, ist das The­ma „Vor­ver­trag­lich­keit“ vom Tisch.

5. Interessenwahrnehmung

Wel­che kon­kre­te Inter­es­sen­wahr­neh­mung gewünscht wird, hängt vom Anwalt ab; ist sein Ziel Scha­dens­er­satz in Geld oder Natu­ral­resti­tu­ti­on (wegen einer Ver­let­zung ver­si­che­rungs­recht­li­cher Infor­ma­ti­ons­pflich­ten und/oder des von § 242 BGB geschütz­ten Ver­trau­ens) kann er des­we­gen noch­mals beim Erst­ver­si­che­rer vor­stel­lig wer­den; trotz einer vor­he­ri­gen Ableh­nung recht­fer­tigt sich die­ser Ver­such, wenn eine bezif­fer­te bzw. recht­lich begrün­de­te For­de­rung erho­ben wird. Denk­bar ist aber auch eine Beschwer­de beim Ombuds­mann oder gleich der Weg zum Gericht.

Version 14/09 vom 26.09.2019

 

*https://www.procontra-online.de/artikel/date/2019/09/bdv-solvenzanalyse-diese-21-lebensversicherer-fallen-durch
*https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2018/fa_bj_1802_RunOff
*https://anwaltverein.de/files/anwaltverein.de/downloads/praxis/Verguetungsrecht/Der Rechts­schutz­fall im Blick­feld der BGH-Rechtsprechung
*Anwalts­ge­büh­ren, die den Ver­zugs­fall schaf­fen, wer­den nicht vom Rechts­schutz­ver­si­che­rer ersetzt; Kos­ten­de­ckung setzt Ver­zug voraus.